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Stolpersteine identifizieren und vorbeugen

Die Stärke der Transformationskompetenz in einem Unternehmen zeigt sich gerade dann, wenn Stolpersteine und Hindernisse auftreten. In diesen kritischen Situationen, wenn es ein besonderes Maß an Ausdauer und Beharrlichkeit, Engagement, Zusammenhalt und Zielstrebigkeit bedarf, wird deutlich, ob die Betroffenen wirklich hinter der Transformation stehen und ihre Umsetzung committet verfolgen. 
Die primären Gründe für das Scheitern von Transformationsprozessen sehen die Befragten in mangelndem Verständnis für die Transformation seitens der Mitarbeitenden, unklaren Zielbildern, ungenügender Kommunikation, unzureichenden Strukturen und Vorbildern sowie zu starker Konzentration auf Management anstatt Leadership.

Jede Transformation steht für einen dauerhaften Wandel, welcher die Veränderung von Strukturen, Prozessen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten voraussetzt. Dabei ist häufig eine große Anzahl von Beschäftigten betroffen und es müssen teils komplexe Entscheidungen auch unter Unsicherheit getroffen und umgesetzt werden. Zeitgleich besteht die Herausforderung, das Tagesgeschäft weiterlaufen zu lassen, während durch neue Technologien oder Umstrukturierungen parallel zu diesem bereits Veränderungen angestoßen werden. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass in diesem Prozess immer wieder Stolpersteine und Hindernisse auftauchen, die es zu überwinden gilt. Gerade in Phasen, die ein zusätzliches Energie- und Zeitinvestment bedürfen, wird sichtbar, ob die Transformation auf einem festen Fundament aus Überzeugung und Motivation steht. Nach Meinung der befragten CEOs liegen die zentralen Gründe für das Scheitern von Transformationsprozessen nach Wichtigkeit geordnet im

  1. fehlenden Verständnis auf Seiten der Mitarbeitenden,
  2. keinem klaren Zielbild,
  3. der mangelnden Kommunikation,
  4. fehlenden Strukturen,
  5. zu wenig Vorleben durch das Management und
  6. zu viel Management statt Leadership.
Abbildung 1
Gründe für das Scheitern von Transformationsprozessen

Mitarbeitende einbeziehen: Vom Wissen zum Wollen

Um diese Misserfolgsgründe aus dem Weg zu räumen, braucht es ein Verständnis dafür, warum sie so entscheidend für den Veränderungsprozess sind und wie ihnen proaktiv entgegengewirkt werden kann. In den durchgeführten Interviews berichten viele der CEOs von kritischen Situationen, in welchen ihnen klar wurde, dass die Veränderung länger braucht als erwartet.

Dies wurde deutlich durch internen Widerstand, ein Gefühl von Unverständnis im Team, steigender Fluktuation und Schwierigkeiten bei der Anpassung an die neuen Herausforderungen und den damit einhergehenden Verhaltens- und Einstellungsänderungen. Solange dieser Widerstand im Raum steht und das Verständnis für die Veränderung fehlt, ist die Umsetzung schwierig und der Kampf einer der gegen Windmühlen geführt wird. Eine Transformation kann nur erfolgreich gelingen, wenn alle oder zumindest ein Großteil der Beteiligten bereit ist, sich auch selbst neue Kompetenzen und Erkenntnisse anzueignen, Herausforderungen proaktiv anzugehen und nicht immer auf die helfende Hand "von oben" zu warten. Für die Umsetzung des (Transformations-)Wissens braucht es das Wollen jedes Einzelnen. Die besondere Herausforderung liegt nun darin, dass Wollen nicht delegierbar ist. Die Würde eines jeden Menschen liegt in seiner Wahl. Keine Führungskraft kann für die eigenen Kollegen oder Mitarbeitenden wollen. Die Entscheidung zum Wollen kann jeder Beteiligte nur für sich selbst treffen. Den Weg hin zu dieser Entscheidung zu ebnen und die Voraussetzungen für ein klares Commitment aller zu verbessern, ist hingegen möglich und eine entscheidende sowie erfolgskritische Aufgabe des Führungsteams.

Abbildung 2
Wissen, Wollen, Können © Manres

Die psychologischen Motivatoren, die uns zu einer solchen Entscheidung des Wollens bewegen, sind Pain, Pleasure und Purpose. Das Motiv liegt entsprechend darin begründet, etwas Unangenehmes zu vermeiden, etwas Angenehmes zu erreichen oder einen Beitrag zu etwas Sinnvollem zu leisten (Heckhausen & Heckhausen, 2018). Häufig ist die Motivation, welche durch Pleasure oder Purpose entsteht, langfristiger ausgerichtet, als eine reine Vermeidungsmotivation. Sie entsteht dann, wenn alle Beteiligten eine klare Antwort auf die Frage des "Warum" und "Wozu" für sich gefunden haben. Fabian Niedballa, Co-Founder und Managing Director von Sharpist, formuliert es so:

Normalität bedeutet, jeder Tag ist anstrengend, aber das ist nicht negativ. Ich bin nicht so groß geworden, dass ich denke, dass jeder Tag wunderschön ist. Wichtig ist nur, dass ich einen Ort finde, für den sich die Anstrengung lohnt.

Fabian Niedballa
Co-Founder und Managing Director von Sharpist

Erst wenn klar ist, warum sich der eigene Einsatz, das zusätzliche Engagement und Investment lohnen werden, gehen wir den ersten Schritt und entscheiden uns für die Umsetzung. Um ein solches Zielbild zu vermitteln und somit das fehlende Verständnis seitens der Mitarbeitenden zu bearbeiten, braucht es eine gute und zielgerichtete Kommunikationsstrategie, welche die Mitarbeitenden adressatengerecht anspricht und in ihrer jeweiligen Situation abholt.

Entsprechend erscheint es nicht verwunderlich, dass die in unserer Studie von den CEOs benannten TOP 3-Stolpersteine genau die drei Aspekte Sinn, Zielbild und interne Kommunikation betreffen. Sie stehen unweigerlich miteinander in Verbindung und sind erfolgsentscheidend für jeden Transformationsprozess. Ohne ein klares Zielbild wird die Sinnhaftigkeit der Transformation unklar und schwammig bleiben. Ohne eine klare Kommunikation wird dieses Zielbild, und damit das Verständnis für den Sinn und den Nutzen der Veränderung, nicht bei den Mitarbeitenden ankommen (Johner, 2010). Schlussendlich ist dieses klare "Warum" und "Wozu" der langfristige Motivator für die Mitarbeitenden und deren Engagement im Transformationsprozess. Simona Scarpaleggia, CEO IKEA Schweiz, beschreibt es mit den Worten:

You have to continuously repeat what is changing and show case. As a leader you need to create a safe environment.

Simona Scarpaleggia
CEO IKEA Schweiz

Veränderungen, insbesondere dann, wenn sie von außen an Menschen herangetragen werden und diese sich nicht selbst für sie entschieden haben, führen zunächst häufig zu Verunsicherung. Sicherheitsgebenden Strukturen fallen weg, Anforderungen verändern sich, bisherige Vorgehensweisen und Gewohnheiten greifen nicht mehr und die Wahrscheinlichkeit, Fehler zu machen oder nicht unmittelbar ein erfolgreiches verändertes Vorgehen umsetzen zu können, steigt. Um den Mut zu finden, sich einer solchen Situation zu stellen und sich voll zu investieren, ist eine positive Vorstellung des Zielzustandes enorm hilfreich: Diese gibt dem eigenen Handeln einen übergeordneten, längerfristigen Sinn und ist bestenfalls so anziehend, dass sie mögliche Ängste und Unsicherheiten relativiert.

Dranbleiben: Vom Wollen zum Können

Eine weitere Schwierigkeit, die in den Interviews deutlich und oftmals benannt wurde, liegt in der Umsetzung des Wollens zum Können. 
Selbst wenn das Zielbild klar sei, brauche es häufig doch lange, bis die Performance ausreiche, um dieses zu erreichen, berichten die Interviewten. Teilweise erlebten sie zudem einen Rückzug in die Komfortzonen und eine gewisse Trägheit, die die zeitnahe Umsetzung verhindere. Der Wunsch nach einer Rückkehr in die eigene Komfortzone in unsicheren und unruhigen Zeiten ist nicht verwunderlich, denn der Weg vom Wollen zum Können ist mit harter Arbeit und hohem persönlichen Investment verbunden. Wissen und Wollen bilden nur die ersten Schritte zum Können. Die Absicht, also ein reiner Willensentscheid, eine neue Gewohnheit zu formen, benötigt Zeit und kontinuierliche Übung. Eine Studie zur Veränderung von Gewohnheiten kommt zu dem Ergebnis, dass es im Schnitt 66 Tage braucht, um eine neue Verhaltensweise so zu implementieren, dass es keine große Aufmerksamkeit und Energie mehr benötigt, um sie auszuführen (Lally et al., 2009). Mit Blick auf Transformationsprozesse bedeutet dies, dass bei jeder zu etablierenden Veränderung gerade diese Zeit der Umsetzung besonders relevant und erfolgskritisch ist, da hier ein hohes Investment gefordert wird, die entsprechende Belohnung in Form neuer, effektiverer Strukturen, digitaler Prozesse oder auch konkurrenzfähigerer Produkte jedoch noch nicht spür- und erlebbar wird.

Fehlen in dieser Zeit die Vorbilder im konsequenten Vorleben der Transformation und das klare gemeinsame Commitment, ist der Erfolg der Transformation in Gefahr. Auch die von vielen CEOs im Interview angesprochene positive Fehlerkultur, die gerade in schwierigen Zeiten des Veränderungsprozesses als sehr wichtig wahrgenommen wird, ist in der Umsetzungsphase entscheidend. Ein offener Umgang mit Fehlern, der darauf basiert, dass diese genutzt werden, um zu lernen und an der Erfahrung zu wachsen, baut Ängste ab und ermöglicht so ein leichteres Einlassen auf die neuen Herausforderungen. Glaubhaft implementiert wird eine solche Kultur vor allem durch das Vorleben eben dieser durch die Führungskräfte. Generell benötigt es gerade in herausfordernden Zeiten ein starkes Führungsteam, welches die Fähigkeit besitzt, den Mitarbeitenden im Unternehmen durch die neue Vision eine Ausrichtung zu geben, diese mit Überzeugung vorzuleben und Vertrauen zu vermitteln. Hier wird Leadership deutlich, welche sich vom Management der alltäglichen Prozesse, Personen und Ressourcen abhebt.