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Transformationsprozesse über die Zeit: Betrachtung der CEO-Studienergebnisse der vergangenen zehn Jahre

Die erste CEO-Befragung zur aktuellen Transformationslage und der Perspektive von CEOs auf die damit verbundenen Umsetzungsaspekte startete Manres im Jahr 2009. Zehn Jahre und sechs Befragungswellen später erlauben die vorliegenden Daten einen Blick auf die Transformationsherausforderungen der letzten Jahre und den Umgang mit diesen im Laufe der Zeit. Was hat sich über die letzten Jahre für CEOs bezüglich der Transformationsprozesse verändert und welche Konstanten in Zeiten des Wandels sind erkennbar?

Über all unsere Erhebungen hinweg lässt sich feststellen, dass sich die befragten CEOs unabhängig der Art der Veränderung, der aktuellen Wirtschaftslage oder auch des "Leadership-Zeitgeistes" darüber einig sind, dass eine oder vielleicht auch die entscheidende Aufgabe der Geschäftsführung darin besteht, den Beschäftigten durch ein klares Zielbild Orientierung zu bieten. Um wirksam zu sein, muss dieses Bild zudem klar ins Unternehmen hineinkommuniziert werden. Ein gemeinsames Ziel vermag es, den Blick aller in eine Richtung auszurichten und die Fragen nach dem Sinn zu beantworten. Überzeugungskraft, Ausdauer und Beharrlichkeit unterstützen dabei sowohl in der Überzeugungsarbeit als auch in der eigentlichen Transformation, die von den Beteiligten vermehrtes Engagement (z. B. das Erlernen neuer Fertigkeiten, ein Umdenken in gewohnten Prozessen) und auch eine stabile Frustrationstoleranz, wenn Fehler passieren oder Rückschritte verkraftet werden müssen, verlangt. Häufig erleben Mitarbeitende in Transformationsprojekten Phasen der Verunsicherung. Fragen, ob die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten auch zukünftig genügen, die eigene Stelle noch existieren und in den neuen Strukturen einen Platz haben wird, sich der zusätzliche Aufwand lohnt oder auch das Gesamtprojekt scheitern könnte, stehen im Raum. Werden diese Ängste und Fragen zu lange nicht adressiert und aufgegriffen, kann dies zu einer erhöhten Fluktuation führen. Leistungsträger, welche auch für die erfolgreiche Umsetzung der Transformation entscheidend sind, haben durch ihre guten Qualifikationen dabei die besten Alternativen. Um der Gefahr entgegenzuwirken, diese in unruhigen Zeiten zu verlieren, ist deren Vertrauen in die eigene Organisation und die Entscheidungen ihrer CEOs unerlässlich. Dieses entsteht unter anderem durch ein integres Verhalten der Geschäftsführung. Können Mitarbeitende davon ausgehen, dass ihre Vorgesetzten entsprechend ihrer Werte und Worte handeln und auch leben, was sie von anderen erwarten, werden die Angestellten den Worten ihrer Chefs trauen und auf deren Entscheidungen vertrauen.

Langzeiterkenntnisse im Detail

Geclustert nach kulturell-psychologischen und sachlogischen Aufgabengebieten und Kompetenzen, zeigt sich über alle Befragungsjahre hinweg ein einheitliches Bild: Beide werden im Schnitt als durchweg erfolgskritisch für eine erfolgreiche Transformation gesehen. Die kulturell-psychologischen Kompetenzen und Aufgabengebiete eines CEOs werden jedoch im Vergleich als etwas wichtiger eingeschätzt. Dies bedeutet, dass ihnen eine etwas höhere Priorität als Aufgabe im Arbeitsalltag eines CEOs zugeschrieben wird: Aus Sicht aller Befragten über die vergangenen zehn Jahren hinweg kann eine Transformation nur dann gelingen, wenn sowohl sachlich-fachliche Aspekte als auch die zwischenmenschlich orientieren Themen im Fokus stehen und bearbeitet werden. Oder wie Daniel Fust, CEO Graubündner Kantonalbank, es formuliert:

Eine Transformation darf nicht technisch verstanden und gesteuert werden, sondern als Change of Mind.

Daniel Fust
CEO Graubündner Kantonalbank

Abbildung 3
Prioritäten: CEO-Aufgabenbereich
Abbildung 4
Prioritäten: CEO-Kompetenzen

Transformationsgrößen und Hintergründe

Das Veränderungsprozesse bereits vor zehn Jahren und auch aktuell ein elementares Thema für die Arbeit von CEOs sind, wird mit Blick auf die Angaben zum Mitarbeitendenanteil, welcher in Transformationsprozesse involviert war, deutlich. Über die vergangenen Jahre hinweg zeigt sich hier ein kontinuierlicher Anstieg der Anzahl an Unternehmen, in welchen 60 Prozent oder mehr der Beschäftigten von aktuellen Transformationen betroffen sind (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5
Mitarbeiteranteil, der sich in Transformationsprozess befindet

In den Jahren 2013-2017 zeigt sich zudem ein Anstieg der Unternehmen, welche sich generell in irgendeiner Form von Transformationsprozess befinden. Dieser Trend setzt sich in der Befragung 2019 jedoch nicht fort (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6
Unternehmen in Transformationsprozessen

Dabei scheint die Größe der Transformation, im Sinne der Anzahl involvierter Personen, weitgehend unabhängig davon zu sein, inwiefern die aktuelle Lage des Unternehmens als stabil eingeschätzt wird (siehe Abbildung 7). Hier zeigt sich gerade mit Blick auf die vergangenen sechs Jahre ein relativ stabiles Ergebnis. Rund 40 Prozent der befragten CEOs gaben in dieser Zeit jeweils an, die Firmensituation als "eher bis sehr turbulent" zu erleben. Entsprechend empfindet eine Mehrheit die Situation als "eher stabil bis stabil", unabhängig von der Tatsache, dass der Anteil an Mitarbeitenden in Transformationsprozessen über die Jahre hinweg angestiegen ist.

Abbildung 7
Einschätzung der Firmensituation

Hier wird deutlich, dass es zum Alltag des Topmanagements gehört, Veränderungsprozesse zu begleiten. Urs Schaeppi, CEO Swisscom, fasst es wie folgt zusammen:

Eigentlich ist Transformation ein Prozess, der nie endet.

Urs Schaeppi
CEO Swisscom

Der Blick auf die Gründe für die Transformationen zeigt, dass diese über die Zeit hinweg ähnlich geblieben sind. Bereits seit Beginn unserer CEO-Befragungen im Jahr 2009 lassen sich die Gründe für die durchgeführten Transformationen zu großen Teilen den Themen Prozessoptimierung, Digitalisierung, Anpassung an Wettbewerbsveränderungen und Neustrukturierung zuordnen. Insofern verwundert es nicht, dass selbst unter einem hohen Stabilitätsgefühl laufend Veränderungen stattfinden und stattfinden müssen. Im Hinblick auf die Digitalisierungsanforderungen ist somit kein Stillstand abzusehen und auch der Wettbewerb befindet sich in einem stetigen Wandel. Um diesbezüglich auf dem "Level der Zeit" zu bleiben, braucht es kontinuierlich Anpassungen von Prozessen, Strukturen und damit auch Veränderungen von Denkweisen und Verhaltensmustern. Albert Einstein brachte es auf den Punkt: "Wir können die Probleme der Welt nicht mit den Denkmustern lösen, die zu ihnen geführt haben".

Investments in Transformationsprozess über die Zeit

Die hohe Priorität, welche die Steuerung von Transformationsprozessen im Alltag von Geschäftsführungen einnimmt, zeigt auch der über die Jahre gleichbleibend hohe Zeitanteil, welchen die CEOs in die Arbeit an Veränderungsprojekten investieren. Selbst im Jahr 2011, welches von einem Großteil der Befragten als "ruhig bis sehr ruhig" erlebt wurde, investierten die Vorstandsvorsitzenden 20 Prozent ihrer zeitlichen Ressource in Transformationsprozesse. In allen anderen Jahren lag dieser Anteil sogar bei einem Viertel ihrer Arbeitszeit oder mehr. Auch das finanzielle Investment lag in den vergangenen zehn Jahren - bis auf das Jahr 2011 (12 %) - bei mindestens einem Sechstel des Nettogewinns (17-27 %) (vgl. Abbildung 8).

Abbildung 8
Investitionen der CEOs

Entsprechend verwundert es nicht, dass viele CEOs vermehrt in die spezifischen Transformationskompetenzen ihrer Führungskräfte investieren. Gab im Jahr 2009 lediglich die Hälfte der Befragten an, ihre leitenden Mitarbeiter durch Coaching-, Training- oder Mentoringprogramme fit für die Lenkung von Transformationen zu machen, stieg der Anteil bis im Jahr 2015 kontinuierlich bis zu 90 Prozent an und pendelte sich in den vergangenen vier Jahren stabil in einem Bereich über 80 Prozent ein. Es scheint demnach mittlerweile vom "common sense" zur "common practice" geworden zu sein, dass alle Führungsebenen gewisse Transformationskompetenzen benötigen und es sich lohnt, in die Ausbildung dieser zu investieren. Eine zukunftsfähige Führungsmannschaft zeichnet sich demnach dadurch aus, dass sie mit Instrumenten zur Steuerung von Transformationsprozessen gewappnet ist und diese für einen erfolgreichen Umgang mit den auftretenden Herausforderungen gezielt anzuwenden weiß.

Abbildung 9
Förderung der Transformationskompetenz der Führungsmannschaft durch konkrete Massnahmen

Stabile Erfolgsfaktoren

Die vorherigen Ergebnisse verdeutlichen, welch elementare Bedeutung der Arbeit der Geschäftsführung und den Mitgliedern oberster Führungsgremien in Transformationsphasen zukommt. Welche konkreten Kompetenzen die Führungsmannschaften dabei unterstützen können, Umstrukturierungs- und Optimierungsprozesse kompetent und erfolgreich zu lenken, verrät ein Blick auf die Fragen nach den erfolgskritischen Kernkompetenzen und Aufgabenfelder aus Sicht der CEOs. Die Erkenntnisse der vergangenen zehn Jahre ergeben zwei Führungsaufgaben und vier Kernkompetenzen, welche in jeder Befragung aus Sicht der CEOs zu den TOP-5 Erfolgskriterien gehören.

Wichtigste Führungsaufgaben in Veränderungszeiten:

  • Kommunikation nach innen
  • Definition der Vision/Mission

Kernkompetenzen CEOs in Veränderungszeiten (ab 2011 erfragt):

  • Überzeugungskraft
  • Führungskompetenz
  • Integrität
  • Ausdauer und Beharrlichkeit

Mit dem klaren Fokus auf und einer hinreichenden Zuwendung zu diesen Aufgaben sowie den entsprechenden persönlichen Kompetenzen bzw. der gezielten Arbeit an eben diesen, lässt sich gemäß den Erfahrungen der vielen befragten CEOs die Erfolgschance für nachhaltige Transformation maximieren.